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Es grünt so grün

GFP – ein alter Hut? Keineswegs, meint das Berliner Start-up Mimotype. Das Unternehmen werkelt derzeit an der Herstellung optimierter Fluoreszenzproteine im industriellen Maßstab und will so völlig neue Materialien möglich machen.

Dieser Artikel erschien zuerst am 24.10.2024 bei Laborjournal Online.

Vermutlich wird jede oder jeder, der in einem biologischen Labor sein Tagwerk verrichtet, früher oder später damit zu tun haben: GFP. Das grün-fluoreszierende Protein ist dabei eine willkommene Abwechslung vom ewigen Pipettieren farbloser Flüssigkeiten. Dass man damit jedoch mehr machen kann, als sämtliche Organismen lustig leuchten zu lassen, zeigt nun das Berliner Start-up Mimotype. Das Team um die Zwillingsbrüder und Gründer Claudio und Danilo Flores will fluoreszierende Proteine für industrielle Anwendungen nutzbar machen und bewegt sich damit an der Schnittstelle zwischen Bio- und Nanotechnologie.

Biologisches Licht

Die Idee, ein Unternehmen zu gründen, kam Claudio Flores bereits im Anschluss an sein Masterstudium an der Universität Heidelberg. „Ich habe mich dort viel mit Hochdurchsatz-Sequenzierung in einem evolutionsbiologischen Kontext beschäftigt”, erinnert er sich. Dabei stieß Flores auf Publikationen, in denen die aufkommenden Genomik- und Proteomik-Methoden genutzt wurden, um schnell neue Materialien zu charakterisieren, die bis dato unerkannt in den Organismen vor sich hinschlummerten. „Ich hielt diesen Ansatz für sehr smart und es gab schon die ersten Versuche damit künstliches Leder oder biologisches Plastik herzustellen. Ein Feld blieb aber unterrepräsentiert: Licht”, schildert der Entwicklungsbiologe. So reifte in Flores die Idee heran, fluoreszierende Proteine für industrielle Anwendungen einzusetzen. Dafür gründete er im August 2021 zusammen mit seinem Zwillingsbruder Danilo die Mimotype Technologies GmbH in Berlin.

Zunächst suchten die Brüder nach einem geeigneten fluoreszenten Protein, das als Ausgangspunkt dienen sollte. Die Wahl fiel auf einen alten Bekannten: GFP. „Es gab zwar bereits Anwendungen im Militärbereich, aber darüber hinaus wurden fluoreszierende Proteine allenfalls in Laboren eingesetzt”, erklärt Flores. Denn Proteine lassen sich erst seit einigen Jahren kostengünstig in großen Mengen herstellen, zum Beispiel in einem Bioreaktor. Im Falle des GFP hätten zudem wenige Hersteller eine Art Monopol und verkauften ihren grün-leuchtenden Rohstoff zu horrenden Preisen. „Daher wollten wir das GFP aus dem Laborumfeld herausholen und es in neuen Materialsysteme einsetzen.”

Sicher verpackt

Ausgehend von der bekannten GFP-Sequenz führten die Berliner sequentiell Modifikationen ein. „Das Standard-GFP hat einige Nachteile. Zum einen ist Grün als Lichtfarbe nicht sonderlich gefragt, zum anderen ist das Protein anfällig für Photobleaching”, erklärt Flores. Beim Photobleaching handelt es sich um den unerwünschten Effekt, dass Fluorophore nach längerer Lichteinstrahlung ausbleichen und nicht mehr angeregt werden können. Zudem lassen sich herkömmliche Fluoreszenzproteine nur in wässrigen Lösungen verwenden. Um diese Nachteile zu eliminieren, arbeitete das Start-up zusammen mit Forschenden des Leibniz-Instituts für Interaktive Materialien (DWI) in Aachen. Im Zuge dieser Kooperation gelang es, fluoreszenten Miniproteine mit hoher Quantenausbeute zu generieren und diese in biokompatible Polymere einzubetten. „Das Polymer stabilisiert das Protein. Es macht es unempfindlicher gegenüber Temperaturschwankungen und vermindert das Photobleaching.“

Mehr Rot, mehr Blau, mehr Wachstum

Mittlerweile setzt Mimotype beim Design neuer Fluoreszenzproteine auch auf Large-Language-Models, also KI-Modelle wie etwa GPT. Damit, so Flores, ließen sich relativ schnell maßgeschneiderte Proteine für konkrete Anwendungen designen. Die Hauptanwendung ihrer genetisch modifizierten GFP-Varianten sollen zunächst biologische Farbwandelfolien für Gewächshäuser sein, wie der Unternehmer schildert: „Wir haben in einem Validierungsauftrag für die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIN-D) die Machbarkeit von biologisch-abbaubaren, fluoreszierenden Materialien getestet. Durch diese mit dem DWI entwickelten Polymerfolien können Gewächshäuser energieeffizienter betrieben werden.“ Die Fluoreszenzproteine werden durch die UV-Strahlung der Sonne angeregt und emittieren danach verstärkt blaues und rotes Licht. Dadurch ließe sich der Ertrag je nach Pflanzenart um bis zu 30 % erhöhen.

„Bisher verwendet man dafür synthetische Farbstoffe oder sogenannte Quantum Dots. Diese sind aber toxisch und können nicht abgebaut werden. Zudem verursachen die verwendeten Folien Mikroplastik“, beschreibt Flores den derzeitigen Goldstandard. Um ein ganzes Gewächshaus mit fluoreszierenden Proteinen auszukleiden, braucht man jedoch beachtliche Mengen davon. Daher arbeitet Mimotype gerade daran, die Produktion zu skalieren. „Wir selbst verfügen nicht über Labore, kooperieren hier aber mit dem Center for the Science of Materials (CSMB) der Humboldt-Universität zu Berlin und dem DWI. Dort können wir unsere Proteine in einem 100 Liter Bioreaktor herstellen.“ Damit erreichen die Berliner mittlerweile eine Ausbeute von etwa einem Gramm Fluoreszenzprotein pro Liter. Damit sei das fünf-köpfige Team von Mimotype auf dem besten Weg, bald ihr erstes Kilogramm reinen Fluoreszenzproteins herzustellen.

GFP – Das Bindeglied

Mit diesem Projekt wolle sich das Start-up auch als Produktunternehmen positionieren. „Bisher sind wir auch in der Auftragsforschung tätig, wollen aber in Zukunft den Bedarf analysieren und dann maßgeschneiderte Produkte auf den Markt bringen“, sagt Flores. Bisher habe man durch die Auftragsforschung jedoch bereits Umsätze generieren können. Eine erste Finanzierung von 700 000 € ermöglichte es den Flores-Brüdern bereits nach zweieinhalb Jahren sechsstellige Umsätze einzufahren. Dazu kamen noch über 500 000 € an Fördermitteln. Derzeit wirbt Mimotype eine Seedfinanzierung zur Weiterentwicklung der fluoreszenten Folie ein. Für Flores ist jedoch eines bereits klar: „GFP ist das Bindeglied zwischen Bio- und Nanotechnologie und wir haben gerade erst begonnen, das Potenzial dieser Synergien auszuschöpfen“.

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